Verheerendes Signal: Offene Freizeit-Angebote für Kinder vor dem Aus

Mitmach-Angebote des Mobilen Ateliers könnte es bald nicht mehr geben (Foto: Daniela Buchholz)
Die beliebten Mitmach-Angebote des Mobilen Ateliers für Kinder könnte es bald nicht mehr geben (Foto: Daniela Buchholz)

In Gröpelingen stehen das Spielhaus Wilder Westen, das Mobile Atelier, das Kinder- und Jugendatelier im Atelierhaus Roter Hahn, das Spielhaus Bexhöveder Straße und Gruppen im Spielhaus Wohlers Eichen vor dem Aus. Die Einrichtungen fordern die Rücknahme der Entscheidung des Controlling-Ausschusses und haben eine Pressemitteilung veröffentlicht, die hier im Wortlaut wiedergegeben wird.

Controlling-Ausschuss streicht Mittel

Schon im Dezember 2018 wurden die beantragten Mittel aus dem Etat für die Offene Kinder- und Jugendarbeit in Gröpelingen für die oben genannten Einrichtungen nicht bewilligt. Zunächst sah es nach einem Verfahrensfehler aus, den die verantwortliche Senatorin Anja Stahmann aus dem Weg räumen wollte. Eine drohende Schließung der Einrichtungen wäre inakzeptabel: „Wir lösen das!“ so Stahmann.

Am 22. Januar 2019 hat nun der Controllingausschuss seine Entscheidungen zur Schließung der Einrichtungen bzw. zur  Abwicklung von Angeboten getroffen. Insgesamt verfügt Gröpelingen über den stadtweit höchsten Etat für offene Kinder- und Jugendarbeit (1.059.000,- Euro).

Der Ausschuss hat nun die Mittel mit der Begründung gestrichen, es solle nur offene Jugendarbeit und keine offene Kinderarbeit gefördert werden. Diese künstliche Trennung der offenen Kinder- und Jugendarbeit in „Kinder“ und „Jugend“ entspricht weder dem Buchstaben und Geist des SGB VIII noch dem Rahmenkonzept für die offene Jugendarbeit in der Stadtgemeinde Bremen und stößt deshalb bei den betroffenen Einrichtungen auf breiten Protest und Unverständnis.

Offene Kinder- und Jugendarbeit muss früh beginnen und vielfältig sein

„Über 450 Kinder und Jugendliche besuchen wöchentlich unsere Einrichtungen und offenen Angebote“ so Ralf Jonas, der die Spielhäuser in Oslebshausen betreibt. Er sieht im Vorgehen des Ausschusses eine „völlig unnötige Zuspitzung der Situation im Ankunftsstadtteil Gröpelingen … und das bei einem Millionenetat.“

„Die Vergabe eines solchen Etats muss auf Grundlage von gesetzlichen Regelungen erfolgen, die nicht nach Belieben der Ausschussmitglieder gedehnt werden dürfen“  so Jonas, der sich wochenlang um einen Austausch mit dem Ausschuss und dem Sozialressort bemüht hat und auf die Gefahren hingewiesen hat.

Die gesetzlichen Regelungen finden sich im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) wieder. Die Kinder- und Jugendhilfe fördert junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung und trägt dazu bei, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen sowie positive Lebensbedingungen für junge Menschen zu erhalten oder zu schaffen (vgl. § 1 SGB VIII). Die OKJA ist nach § 11 SGB VIII Teil der Kinder- und Jugendarbeit.

Dabei sind Trägervielfalt (§ 3 SGB VIII) als auch Angebote der kulturellen Bildung (§ 11 SGB VIII) explizit benannt.

„Die Vergabe von Teilen des Etats an Projekte und Institutionen, die qua Auftrag im Jugendbereich tätig sind, kritisieren wir nicht. Kritisch ist zu sehen, dass das biologische Alter der Kinder als Begründung für eine eklatante Engführung der Angebote herhalten muss“ so Christiane Gartner, Geschäftsführerin von Kultur Vor Ort e.V.

Gerade in einem Stadtteil, in dem viele Familien mit teils traumatischen Migrations- oder Fluchterfahrungen leben, sind junge Leute oftmals schon in sehr jungem Alter auf sich gestellt und brauchen Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit. „Es ist fachlich unsinnig, ein biologisches Alter als Fördergrenze zu definieren. Das widerspricht dem Sinn der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die als kostenloses, freiwilliges, selbstbestimmtes und wohnortnahes Angebot in Abgrenzung zu Schule und Vereinsarbeit eine besondere Bedeutung für Gröpelingen hat.“ so Gartner.

Übersetzt für Gröpelingen heißt das: Wir brauchen Angebote für junge Menschen, die in der Lage sind, sich alleine den städtischen Raum anzueignen und für Stadtteile Verantwortung zu übernehmen. D.h. eine altersmäßige Bestimmung zur Unterscheidung zwischen Kinder- und Jugendarbeit ist fachlich unsinnig, es kommt einzig darauf an, ob die jungen Leute ein offenes Angebot wahrnehmen wollen und können (also selbstständig kommen und teilnehmen) bzw. ob sie ein offenes, „elternfreies“ Angebot benötigen, um sich entfalten, entwickeln zu können. Nicht zufällig nehmen an den Angeboten der von Schließung bedrohten Einrichtungen überproportional viele junge Menschen aus Familien mit Migrations- und Fluchterfahrungen teil, weil ihre offenen Angebote einen besonders geeigneten Anknüpfungspunkt im Stadtteil bieten. 

Selbstverständlich müssen Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit für einen/eine achtjährige/zehnjährige anders aussehen als für eine/n 17-jährigen. Das Mobile Atelier und das Kinder- und Jugendatelier von Kultur Vor Ort haben seit 2007 deshalb – übrigens mit Unterstützung der Sozialbehörde – hier eine Lücke der offenen Kinder- und Jugendarbeit gefüllt: Die Ateliers bieten offene Angebote für junge Leute, die mit ihren Ideen und Potentialen künstlerisch und kreativ über Sprachbarrieren hinweg zum Ausdruck bringen möchten  und die nicht so gerne am Kicker stehen oder eine Fußball-AG besuchen wollen.

Chance vertan für eine zukunftsorientierte Offene Kinder- und Jugendarbeit

Offene Kinder- und Jugendarbeit muss Schritt für Schritt aufbauen, Übergänge schaffen und Kinder so früh wie möglich in Arbeitsweisen der offenen Arbeit einbinden und dort fördern.

Gröpelingen bekommt mehr als eine Millionen Euro für diese Arbeit, eine riesige Chance, ein ganzheitliches, mehrere Lebensphasen des Heranwachsens umfassende Arbeit aufzubauen.

Diese Chance sollte nicht, sie muss genutzt werden

Wie sollen 17jährige in eine offene Arbeit gehen, wenn sie nicht schon als 9-jährige Vertrauen in staatlich geförderte Jugendarbeit gewonnen haben?

Wir fordern endlich ein Bekenntnis des rot-grünen Senats zu einem ganzheitlichen Konzept für die offene Kinder- und Jugendarbeit im Ankunftsstadtteil Gröpelingen.

Wir fordern die Rücknahme der Entscheidung für das Jahr 2019.

Christiane Gartner, Kultur Vor Ort e.V., Ralf Jonas, Bürgerhaus Oslebshausen, Sven Bechtholft, Initiative zur Sozialen Rehabilitation,  Martin Rhode, Spielhaus Wohlers Eichen

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