Was hat Gröpelingen mit Platons Höhle zu tun? Die rund 40 jungen Künstler, die derzeit am Jugendkunstprojekt „Palast der Vorstadt“ in den Ateliers von Kultur Vor Ort arbeiten, haben auf diese Frage eine Menge Antworten gefunden. Im über 2000 Jahre alten Höhlengleichnis von Platon geht es unter anderem um die Frage nach Schein und Wirklichkeit, sowie im wahrsten Sinne des Wortes um den Sprung über den eigenen Schatten. Dass diese Themen besonders für Jugendliche aus einem in hohem Maße von Arbeitslosigkeit betroffenen Stadtteil wie Gröpelingen von großer Aktualität sind, beweist die Vielzahl von Ideen, die bereits jetzt in den künstlerischen Arbeiten wiederzufinden sind.
In Kooperation mit der Gesamtschule West und der Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule arbeiten die bildenden Künstler Anja Fußbach und Frank Bertoldi, die Schauspielerin und Regisseurin Lou Simard und die Grafikerin Katja Philipsenburg zusammen mit den Schülerinnen und Schülern neun Wochen lang an der Errichtung des „Palastes der Vorstadt“. Vom 9. bis 12. Juni wird dieser mitten in Schwachhausen am Anti-Kolonialdenkmal Der Elefant zu finden sein. Dort werden sich die Vorstadt und die Innenstadt, Gröpelingen und Schwachhausen und somit Menschen aus zwei unterschiedlichen Lebenswelten begegnen. „Es geht uns bei dem Projekt um die Überwindung von räumlichen, aber auch gedanklichen Grenzen“, so Christiane Gartner von Kultur Vor Ort. „Die künstlerische Arbeit ist dabei die Grundlage eines Dialogs zwischen Menschen unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten.“
Die Jugendlichen aus Gröpelingen werden ihre Lebenswelt auf ganz verschiedenen Wegen darstellen. So nahm sich die Gruppe um Anja Fußbach und Frank Bertoldi riesige Kisten aus Holz zum Ausgangspunkt, um ihre eigene Sicht der Dinge zu zeigen. Auf und in den Kisten entstehen Ober- und Unterwelten, Traum- und Wirklichkeitsszenarien. Mit ihren Arbeiten stellen die Jugendlichen auch die Frage nach Machtverhältnissen und den Möglichkeiten, die Welt mitzugestalten. Angelehnt an das Höhlengleichnis arbeiten die Schülerinnen und Schüler mit Licht und Schatten, mit Sound, Düften und einem riesigen Fundus an Materialien. Anja Fußbach ist schon jetzt hoch zufrieden mit ihrem Team: „Die verschiedenen Arbeiten stecken voller Kreativität, Witz und Tiefsinn. Es wird unglaublich viel zu entdecken geben.“
Die Gruppe von Lou Simard hat sich zu einer vollkommen anderen Herangehensweise an das Thema entschlossen. Sie konzentriert sich auf die Arbeit mit dem eigenen Körper und entwickelt eine Performance, die Elemente aus Theater, Tanz und Musik miteinander verbindet. „Die Schülerinnen arbeiten mit den Mitteln der Assoziation und Improvisation zu Themen wie Vorurteil und Täuschung“, erklärt Lou Simard. „Kleine Alltagserlebnisse werden dabei zu einer neuen Geschichte verwoben.“
Katja Philipsenburg hat eine weitere Gruppe von Schülerinnen und Schülern um sich versammelt, deren hauptsächliche Arbeit bereits im Vorfeld der Präsentation stattfindet. Mit Elementen der Streetart und des Guerilla-Marketings entwickeln die Jugendlichen ein bemerkenswertes Werbekonzept, das möglichst viele Gäste in den Palast der Vorstadt locken soll. Darüber hinaus kümmert sich die Gruppe um die projekteigene Homepage, auf der es schon jetzt einiges zu entdecken gibt. Der virtuelle Palast kann unter http://www.palast-der-vorstadt.de besichtigt werden.
Die Einzigartigkeit dieses Jugendkunstprojekts wurde dem Projektteam auch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestätigt. Der „Palast der Vorstadt“ wurde als eines von 40 Projekten unter 842 Einsendungen ausgewählt und wird im Rahmen des Europäischen Jahres 2010 zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gefördert. Weitere Förderer sind der Senator für Kultur und der Beirat Schwachhausen.
„Mit neuem Mut“, so lautet das Motto des Europäischen Jahres. Und mit viel Mut wird auch der Palast der Vorstadt gestaltet, so dass am Ende Grenzen überwunden, Brücken geschlagen und ein Weg aus der Höhle gefunden werden kann.
Hinweis: Die Eröffnung findet am 09. Juni um 17 Uhr mit Bürgermeister Jens Böhrnsen statt.