„Fischbrötchen oder Falafel, Jasmina Heritani?“

Jasmina Heritani, 36, lebt seit 2012 in Bremen-Gröpelingen und arbeitet im Quartiers-Bildungszentrum Morgenland. Die junge Frau mit syrisch-deutschen Wurzeln ist Mutter von drei Kindern und Trägerin des diesjährigen Kultur- und Friedenspreis der Villa Ichon. Sie hat ein klares Anliegen.

Frau Heritani, stellen Sie sich bitte mal selber vor?

Mein vollständiger Name ist Jasmina Abo-El-Hemam Heritani, aber den kennen nur sehr wenige. Der Name zeigt schon, dass ich nicht nur deutsche Wurzeln habe. Ich bin in Süddeutschland geboren, in Hamm/Nordrhein-Westfalen aufgewachsen und habe dort Abitur gemacht. 2001 bin ich zum Studium nach Bremen gekommen und wohne seitdem – bis auf die Unterbrechung durch mein Göttinger Zweitstudium – in Bremen.
Meine Geschichte ist die einer typisch syrisch-deutschen Familie. Mein Vater kam in den 1970ern zum Studium nach Deutschland. Eigentlich wollte er mit einer guten europäischen Ausbildung zurück nach Syrien. Dann lernte er meine Mutter kennen und blieb hier. Der Wunsch zurückzugehen, war aber immer da. Darum habe ich meinen ersten Schultag 1988 in Ost-Aleppo verbracht und bin dort zur Schule gegangen. Ich musste aber zuerst in die Vorschule, weil ich kein Arabisch konnte. Meine erste Heimat ist Deutschland, heute ist es Bremen und Gröpelingen. Aber Syrien ist auch mein Land, was ich vermisse, wo ich noch ein Zimmer habe und meine Kleider im Schrank hängen.

Warum haben Sie sich für Gröpelingen entschieden?

Als ich 2001 nach Bremen kam, habe ich an der Hochschule studiert. Arabistik mit Wirtschaftswissenschaften, eine gute Kombination, um in den Arbeitsmarkt zu kommen. Damals wohnte ich ganz praktisch in Hochschulnähe, später in anderen Bremer Stadtteilen.
Mit Gröpelingen haben wir uns erst beschäftigt, als mein Mann Wahid Ghannam das Angebot erhielt, eine Zahnarztpraxis in der Morgenlandstraße zu übernehmen. Er hat die Entscheidung mir überlassen.
Ich habe mir also den Stadtteil angesehen, ein Stadtteil geprägt von Vielfalt und guter Infrastruktur mit Schulen, Kindergärten, der Stadtbibliothek, der Waterfront und internationalen Geschäften. Ich habe mit Menschen gesprochen und ganz viele Dinge gefunden, die mich an meine zweite Heimat erinnern und die ich wunderbar finde.

Zum Beispiel?

Von der Mentalität ist mir vieles nah. In den Supermärkten sehe ich Früchte, die ich aus meiner Heimat kenne und in anderen Stadtteilen nie gesehen habe. Ganz besonders ist die Zeit im Ramadan in Gröpelingen. Da stehen die Menschen noch um elf Uhr abends vor der Eisdiele. Es gibt Spezialitäten, die Läden werden geschmückt. Das sind Dinge aus meiner Kindheit, die mir sehr sympathisch sind.

Heute arbeiten Sie auch hier?

Ich habe gesehen, das Quartier braucht Lehrer und Ärzte. Im Quartiers-Bildungszentrum kommen Menschen zu mir – Deutsche wie Geflüchtete – und haben Fragen zum Thema Bildung, Weiterbildung, Qualifizierung. Es fängt an mit Alphabetisierung bis hin zu hochqualifizierten Ärzten, deren Abschlüsse nicht anerkannt werden. Ich habe eine starke Bindung zum Quartier entwickelt und auch zu den Menschen, weil ich sie ja auch auf der Straße treffe. Es ist etwas, was mich durch den Alltag begleitet.

Angenommen Geld spielt keine Rolle. Was wünschen Sie sich für den Stadtteil?

Ich bin jemand, der immer das halbvolle Glas sieht. Es hat sich viel getan, aber es gibt Dinge, wo wir investieren müssen. Wir brauchen auf jeden Fall eine optimale Unterstützung im Stadtteil.
Dass Anfang des Jahres Gelder für frühkindliche kulturelle Bildung gekürzt wurden, hab ich intensiv miterlebt. Ich kenne die Kinder, die zu den Angeboten gehen. Und ich kenne auch die Eltern, die ihre Kinder dorthin schicken. Viele von ihnen haben Flucht- und Migrationshintergrund. Für die Kinder ist das ein Moment der Pause, denn zu Hause drehen sich die Gespräche um die Familie im Krieg.

Es geht auch um meine Kolleginnen, die mit sehr viel Herzblut da drin stecken, hoch motiviert sind und dafür nicht sehr gut bezahlt werden. Wir müssen unsere Kraft als arbeitende Menschen in unsere Arbeit stecken und nicht in das Kämpfen um Gelder, um die Arbeit machen zu können.
Und wenn ich viel Geld hätte, würde ich auch etwas investieren, um das Image von Gröpelingen aufzubessern.

Haben Sie da persönliche Erfahrungen?

Als ich hierher zog, als wir das Haus hier gekauft haben, habe ich auch in meinem Freundeskreis viel Unverständnis erlebt. Heute kommen meine Freunde und sind begeistert, auch weil es von der Architektur her ein schönes Quartier ist. Wir haben viele schöne, kleine Reihenhäuser, Altbauten mit Stuck und relativ wenig Hochhäuser. Aber wir brauchen eine noch stärkere Mischung in der Bevölkerung. Je mehr sich ein Quartier mischt – und das hängt mit dem Image zusammen umso besser kann man gemeinsam neue Gruppen unterstützen.

Sie kandidieren für die Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft. Welche Hoffnungen verbinden Sie damit?

Ich bin eine Quereinsteigerin in der Politik. Seitens meiner Mutter stamme ich aus einer ur-sozialdemokratischen Familie. Sie sagte immer: „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und hätte nie studieren können, wenn es keine Ausbildungshilfen gegeben hätte.“ Das hat mich geprägt. Das hat auch mein Vater immer mit großem Respekt diesem Land gegenüber anerkannt.
Ich arbeite in einer öffentlichen Einrichtung, bin im wissenschaftlichen Kontext tätig und viel ehrenamtlich engagiert. Aber aus einer solchen Position hat man keine politische Stimme. Wenn wir diesen Stadtteil voranbringen möchten, brauchen wir eine stärkere Stimme im Parlament.

Für mich ist gleichzeitig klar, dass ich im Quartiers-Bildungszentrum tätig bleibe. Hier bekomme ich jede Woche die Informationen, die ich brauche, um in der Politik etwas zu bewirken. Diese Verbindung ist für mich der Schlüssel, um den Stadtteil zu entwickeln und etwas zu bewegen.

Kaffee oder Tee? Ich trinke morgens Kaffee, danach grünen Tee.

Fahrrad oder Straßenbahn? Meistens Fahrrad oder ich fahre Auto.

Fischbrötchen oder Falafel? Falafel.

Telefonieren oder WhatsApp? Wenn ich ehrlich bin… WhatsApp.

Urlaub an der See oder in den Bergen? Urlaub am Meer.

Museum oder Schwimmbad? Beides.

Bauhaus oder orientalischer Kuppelbau? Ich besitze Kleider im Bauhaus-Stil, aber ich mag Dinge, die modern-orientalisch sind. Mit hellen Farben, ohne viel Geschnörkel. So haben wir auch unser Zuhause eingerichtet.

Das Interview führte Eva Determann.

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